Rezension: Heinrich von Ofterdingen-Novalis

"Die Liebe ist stumm, nur Poesie kann für sie sprechen..."

Der 1802 verfasste Roman " Heinrich von Ofterdingen" von Novalis blieb ein Fragment. Erzählt wird die Geschichte eines Zwanzigjährigen, der "von Natur zum Dichter geboren" ist. Die Interpretation seiner Reise von Eisenach nach Augsburg als Bildungsgang des Künstlers besorgt der Roman in der Gestalt des Dichters Klingsohr selbst. Heinrich wird von den Kaufleuten nämlich nicht mit den Erfordernissen des Erwerbslebens, sondern mit der Dichtkunst vertraut gemacht.

In Zulima begegnet der Protagonist dem "Land der Poesie", dem "romantischen Morgenland", der Bergmann und der Einsiedler bringen ihm die Natur und Geschichte nahe. In Klingsohr findet er letztlich einen Lehrer, der ihn über das poetische Handwerk aufklärt und in dessen Tochter Mathilde seine Liebe. Die Bildungsmächte, denen der Protagonist auf den diversen Stationen seiner Reise ausgesetzt ist, aber auch die Reflexionen über Erziehung lassen den Schluss zu, dass "Ofterdingen" als ein Bildungsroman zu lesen ist. Unberücksicht bleibt hierbei freilich, dass alle Erfahrungen Heinrichs im Bereich des Außergewöhnlichen und Exotischen angesiedelt und jeder Alltagswirklichkeit enthoben sind.

Was immer der Protagonist auf seiner Reise in Erfahrung gebracht hat, es stürzt ihn nicht in Konflikte oder Enttäuschungen. Sogar über den Tod der Geliebten helfen ihm himmlisch Tröstungen hinweg. Der Grund weshalb Ofterdingen allen Konflikten mit der Außenwelt entgeht besteht darin, dass diese nur eine Projektion seines Innenlebens verkörpern. An den Landschaften, die Novalis beschreibt, bemerkt man ihre geringe Anschaulichkeit. Täler, Bäche, Mühlen, Schlösser besitzen keine Individualität. Sie interessieren bloß in ihrem Verweischarakter auf die psychische Verfassung des Helden.

Die Entwicklung Heinrichs zum Dichter ist nicht die Folge einer Auseinandersetzung mit der Realität, sondern man muss sie vielmehr als Selbstentfaltung der Innerlichkeit des Protagonisten begreifen. Novalis konnte diesen Roman nicht vollenden. Einzelne Notizen lassen jedoch erkennen, wie er sich die Fortsetzung möglicherweise gedacht hat: die Erlösung der Welt durch Poesie. Als Symbol des Glücks hat Novalis übrigens die blaue Blume in den Roman eingefügt.

Das in den Roman eingefügte " Klingsohr-Märchen" zeigt eine schöne harmonische Welt, die jegliche Beziehung zur Realität verloren hat. Die Romantisierung der Welt, die sich in diesem Roman ereignet, führt mit dem Verschwinden konkreter Lebenswirklichkeit, zur Einführung von Träumen, phantastischen Bildern und Märchen in den Roman und machen das Buch auf diese Weise zu etwas ganz Besonderem. Der ästhetische Reiz seiner lyrischen Prosa beeindruckt schon sehr.

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