Rezension: Die große Geschichte der Zigarre

Die Zigarre wird bei einer Temperatur von 15 bis 20 Grad Celsius aufbewahrt ( maximal 25 Grad).,

Mein geliebter Urgroßvater, der im Haus meiner Eltern wohnte, trank täglich 1/2 Flasche Rotwein und rauchte Zigarren. Er war nie krank. Im Alter von 93 Jahren wachte er eines Morgens nicht mehr auf. Hatte er nur eine stabile Konstitution oder schadeten ihm die Gifte nicht, weil er kein Sucht- sondern vielmehr ein Genussmensch war?

Nach dem Ableben meines Großvaters wurde in meinem Elternhaus nicht mehr geraucht.

Erst viele Jahre später - ich war bereits verheiratet - nahm ich den Geruch von Zigarren in guten Restaurants in Südfrankreich erneut wahr und beobachtete ab und an aufmerksam die Schritte kultivierten Rauchens an Nebentischen, vollzogen von älteren, bewusst in die Welt blickenden Herren. Sofort kam mir mein Urgroßvater in den Sinn. Das hätte ihm gefallen.

Ich warf hin und wieder einen Blick in den " Humidor ", in dem man die edlen Zigarren aufbewahrte, betrachtete die Banderolen und nahm mir vor mich irgendwann genauer über Zigarren zu informieren.

Das vorliegende Buch hat mir - der Nichtraucherin - jetzt endlich die Geschichte der Zigarre näher gebracht. Schade, dass mein Urgroßvater schon Jahrzehnte tot ist, denn mit ihm hätte ich mich gerne über den Inhalt dieses bemerkenswerten Buches unterhalten.
Die Zigarre war im 19. Jahrhundert wesentlich der Herrenwelt vorbehalten und galt als Symbol der Eleganz und des gesellschaftlichen Aufstiegs.

Musiker, Maler und Literaten des Fin de siecle, wie Liszt, Renoir, Gautier, Balzac und Hugo aber auch George Sand waren fasziniert vom Zigarrengenuss. Auch das Bürgertum, angesteckt von den Dandys jener Zeit, begann Zigarren zu rauchen.

Mitte des 19. Jahrhunderts befand sich die Zigarre auf dem Höhepunkt der Beliebtheit. Weshalb dann unerbitterlich der Niedergang der Zigarrenbegeisterung erfolgte wird im Buch ausführlich dargelegt.

Erst in der 30er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden die Kuba-Zigarren neu entdeckt.

Hemingway schätzte Zigarren zu ausgewählten Rumsorten. Später kombinierten Feinschmecker Zigarren mit Weinen. Mehr noch als im Anbau, in der Fermentation und in der Reifung dokumentieren sowohl der Wein als auch die Zigarre bei der Würze des vollendeten Produkts Ihre Ähnlichkeiten und ihre verwandtschaftliche Nähe.

Dass heute berühmte Küchenchefs Zigarren rauchen und ihre Vorzüge rühmen, gar die glühendsten Anhänger der Havanna sind, beweist die These, dass sich mit den Zeiten auch immer der Geschmack verändert.

Man liest von der Entdeckung des Tabaks, der durch die Entdeckung Amerikas erst möglich wurde. Kolumbus und seine Begleiter überraschten die Alte Welt mit diesem Produkt der Indianer, die ihr Kraut " Cohiba " nannten. Heute ist die " Cohiba " eine der berühmtesten kubanischen Zigarren. Die Maya, Inka und Azteken ordneten laut Studien von Ethnologen dem Tabak zunächst eine religiöse und heilende Bedeutung zu. Erst später begannen Stammeshäuptlinge zu besonderen Gelegenheiten zu rauchen. Im Laufe der Jahrhunderte setzten sich verschiedene Arten des Rauchens durch. In Mittel- und Südamerika lernten die Europäer Tabak in einer der heutigen Zigarre ähnlichen Form kennen. Die Indianer rollten den Tabak allerdings in Blätter anderer Pflanzen ein.

In Sevilla wurde 1776 die erste Zigarre hergestellt. Erst nachdem man den Anbau rationalisiert sowie das Trocknen und die Fermentation des Tabaks entdeckt, entwickelt und zur Vollendung gebracht hatte, war man sich imstande Deckblätter ( die äußere Hülle ) herzustellen.

Einige Abenteuerlustige wanderten in jene Länder aus, wo die Pflanze wuchs, um an Ort und Stelle Zigarren herzustellen. Die Stunde der ersten " fabricas ", in Kuba entstanden, hatte begonnen. Man liest von den großen Markenfirmen Kubas, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert gegründet wurden, von den Bauchbinden, einer Idee Gustav Bocks aus dem Jahre 1850 und den Marotten von Bauchbindensammlern, des Weiteren von der Marke " Montechristo " als Hommage an den Grafen Montechristo, den Alexandre Dumas als großen Zigarrenliebhaber dargestellt hat. Ferner erfährt man vom Absinken des Zigarrenverbrauchs bedingt durch den Börsenkrach von 1929 und dem Wiederbeleben des alten Genusses in den 50er Jahren bis zur Machtergreifung Fidel Castros, der die Produktionsmittel verstaatlichte.

Das Programm der Verstaatlichung wurde allerdings hinsichtlich des Tabaks bald gestoppt. Man überließ die Böden den kleinen Bauern zu 90% die Böden, bat den damals bekanntesten Zigarrenhändler, Zino Davidoff um Rat und schaffte es der kubanischen Zigarre neuen Glanz zu verleihen, indem sie wieder ihr höchstes Niveau erreichte. Heute gilt die 1981 entstandene " Cohiba " als die beste Zigarre der Welt.

Man wird ausführlich über die Entstehung von Zigarren aufgeklärt, liest über den Anbau der Pflanzen, die Plantagen, das Pflücken, das Trocknen sowie über die erste Fermentation. Man erfährt wie man in den Fabriken " entrippt" , die Zigarren rollt und auch, dass erfahrene Zigarrenmacher pro Tag mindestens 63 Doppel-Coronas herstellen, die sich alle gleichen, wie ein Ei dem anderen. Man liest abermals über Bauchbinden und Kisten sowie über Garantiesiegel bevor man in die Kunst des Rauchens eingeführt wird.

Beim Zigarrenrauchen ist das oberste Ziel der Genuss. Dazu ist die Wahl der Zigarre entscheidend. Man lernt die Farben der Tabake kennen und erfährt, worauf die Farben schließen lassen. Das Format wird ausführlich thematisiert, soviel nur: Eine Zigarre ist umso milder, je dicker sie ist.

Auch erhält man Kenntnis, von der Wichtigkeit der richtige Aufbewahrung der Zigarren.

Fünf Regeln, die genau erläutert werden, sollten unbedingt beachtet werden.

Die ideale Luftfeuchtigkeit lässt sich nur mit Hilfe eines " Humidors " erreichen. Was das ist und wie dieser funktioniert wird gut erklärt.

Dann werden die Schritte des Rauchens dargelegt, zunächst das Einschneiden, das Anzünden, dann das Rauchen selbst. Inhalieren ist Zigarrenrauchern fast unmöglich. Die Hälfte des Rauches wird durch die Nase wieder ausgeatmet, offenbar entsteht dadurch ein besonderer Genuss, weil man die Empfindung hat, der ganz Kopf schwimme im Rauch.

Die großen Meister der Havanna sind Davidoff, Dunhill und Gerard. Über diese drei Herren und ihr Schaffen erhält man einen Überblick und liest anschließend über Zigarren aus der Dominikanischen Republik und solchen aus anderen Ländern.

Anschließend kommen die edelsten Zigarren auf den Prüfstand. Man liest jeweils über die Marken, deren Format und die Bewertung. Offenbar ist die " Bolivar " , Corona gigante etwas ganz besonderes, denn im Kommentar erfährt man " Wer die Marke kennte, verzichtet kaum mehr auf sie.", " Partagas ", Connaisseurs, wird auch besonders hervorgehoben, freilich auch die " Cohiba " und die " Montechristo " in unterschiedlichen Formaten. Neugierig macht mich die Bauchbinde der " Hoy de Monterrey " Prominentes, die als wunderbare Zigarre bezeichnet wird und eine Bauchbinde haben soll, die man nie vergisst. Was wohl darauf abgebildet sein mag?

Im Anhang findet sich eine Liste der besten Adressen von Zigarrenläden und eine kleines Zigarrenlexikon. Wenn Sie dieses studiert haben, werden Sie u.a. wissen, was man unter den Begriffen " Corona ", " Humidor" , " Puro " aber auch " Semillero " und " Vista" versteht.

Eine Fülle schöner Fotografien illustriert den hochinteressanten Text.

Die Zigarre hat regen Anteil genommen an der abendländischen Kultur. Wer Freude daran findet hin und wieder eine der edelsten Zigarren zu genießen, wird nicht gleich an Kehlkopfkrebs sterben. Wie bei allem kommt es auf die Menge an.

Empfehlenswert!

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