Rezension: Wieder zu Hause?

Wieder zu Hause? Erinnerungen.


Die Erinnerungen Paul Spiegels, des verstorbenen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, habe ich mit großem Interesse gelesen, denn er berichtet sehr eindrucksvoll und dabei gleichzeitig sich als Person vollständig zurücknehmend, über sein berufliches und privates Leben. Dabei wird durch die Art wie er schreibt, der Eindruck gefestigt, dass man es hier mit einem sehr einfühlsamen Philanthropen zu tun hat.

Der aus Warendorf stammende Westfale mußte in früher Kindheit gemeinsam mit seiner Schwester und seinen Eltern nach Belgien fliehen. Doch trotz der geglückten Flucht verlor er seine Schwester, die, wie er viele Jahre später erst erfahren hat, im Konzentrationslager Auschwitz ermordet wurde. Bangen musste Spiegel auch um seinen Vater, der als einer von ganz wenigen Juden, die kaum beschreibbaren Ungeheuerlichkeiten von Auschwitz überlebt hat.

Paul Spiegel und seine Mutter konnten, dank der Hilfe mutiger belgischer Bürger, den Nazi-Schergen entkommen; doch fortwährende Todesangst und unsägliche Sorgen hinterließen auch bei diesen beiden Menschen unauslöschbare Spuren.

Nach dem Krieg kehrte Spiegel mit seiner Mutter wieder zurück nach Warendorf. Dort wartete schon Spiegels Vater, der bereits erneut seinem Beruf als Viehhändler nachging und ganz bewusst, gemeinsam mit seiner Familie , als Deutscher unter Deutschen leben wollte.

Paul Spiegel absolvierte in Warendorf seine schulische Ausbildung, hat nach einigen Turbulenzen den Beruf des Journalisten ergriffen und begann schließlich ,viel später ,als Selbständiger, sehr erfolgreich, eine Künstleragentur zu leiten.

Während der gesamten Zeit war Spiegel in der Jüdischen Gemeinde sehr aktiv und setzte sich dort besonders für junge Menschen ein. Darüber berichtet er in seinen Erinnerungen ausführlich.

Zudem erfährt man Einiges über jüdische Rituale, sowie den Aufbau und die institutionellen Funktionen innerhalb des jüdischen Gemeinwesens. Vor allem läßt uns Spiegel wissen, worum es beim jüdischen Glauben letzendlich geht: Oberste Handlungsmaxime ist die Mitmenschlichkeit!

Auch von seinen Vorgängern im Amt, berichtet Paul Spiegel. So findet sich u.a. ein detailliertes Portrait Heinz Galinskis in seinen Aufzeichnungen. Besonders beeindruckend ist das Bild, das er von seinem Freund und Förderer Ignatz Bubis zu Papier gebracht hat. Aber auch Hans Rosenthal, ein ebenfalls enger Freund , findet seine Würdigung.

Paul Spiegel war ein Mensch, der seinem Gegenüber die Hand reichen wollte, ein Mensch, der die Versöhnung suchte. Dies hinderte ihn jedoch nicht daran, klar Stellung zu beziehen gegenüber verantwortungslosen Meinungsäußerungen, wie sie etwa seitens Martin Walser in der Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels im Herbst 1998 verbalisiert worden sind.

Spiegel fühlt sich, trotz des unbeschreiblichen Leides, das man ihm und seiner Familie antat,in Deutschland zu Hause.





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