Rezension: Liebe und Du leidest nicht

" Liebe rechtfertigt nicht alles, sonst wäre sie ein Gott." ( Walter Riso)

Walter Riso befasst sich in diesem spannend geschriebenen Buch mit den unterschiedlichen Facetten der Liebe. Gemeinsam mit den Philosophen André Comte-Sponville und Jean Guitton geht er davon aus, dass sich die Liebe besser verstehen lässt, wenn man annimmt, dass sie über drei grundlegende Dimensionen verfügt. Spielen diese Dimensionen in richtiger Art und Weise zusammen, dann kann man von einer "ganzheitlichen und funktionierenden Liebe" sprechen. Wegen ihrer griechischen Wurzeln nennt man diese drei Dimensionen der Liebe: "Eros"(Liebe, die nimmt und sich befriedigt), "Philia"(Liebe, die teilt und sich freut) und "Agape"( Liebe, die freigiebig ist und mitfühlt).
Der Autor untersucht zunächst den Eros, der das sexuelle Begehren, Besitzergreifen, Sichverlieben, die leidenschaftliche Liebe verkörpert. Das Wichtigste ist in diesem Falle das Ich, das fordert und begehrt. Riso verdeutlicht, dass das Gegenüber, das Du, kaum in Betracht gezogen wird. "Eros" ist die egoistische, lüsterne Komponente der Liebe. Sie ist von Natur aus streitbar und dualistisch. Letztlich ist Eros die Liebe, die schmerzt und die mit Wahnsinn und Kontrollverlust assoziiert wird. Bei allem kann aus "Eros" in der Liebe nicht verzichtet werden, weil das Begehren die vitale Antriebskraft einer jeden Beziehung ist, völlig unabhängig davon, ob es als reiner Sex oder Erotik in Erscheinung tritt.
Philia, ein weiterer Untersuchungsgegenstand Risos, ist die freundschaftliche Komponente, die über das Ich hinausgeht, um den anderen als Subjekt mit einzubeziehen. "Ich und Du", auch wenn das Ich noch im Vordergrund steht. Der Autor hält fest, dass bei allem das gegenseitige Wohlwollen noch immer begrenzt ist, weil nach seiner Ansicht Freundschaft mithin auch eine Form von Selbstliebe verkörpert: Man liebt sich durch den Freund. Allerdings ist das zentrale Gefühl nicht die Freude am Besitzen, sondern am Teilen: die Gegenseitigkeit, das Gut-miteiander-Auskommen, die Seelenruhe.
"Agape" ist die Liebe, die sich über das erotische "Ich will" genauso hinwegsetzt, wie über das freundschaftliche "Du und Ich", um restlos im Du aufzugehen. Agape ist selbstlose Liebe, die sich bedingungslos gibt und sich für den anderen opfert.

Comte-Sponville sagt dazu: " Man geht von der Selbstliebe zur Liebe zum anderen über, dann von der berechnenden Liebe zu einer selbstlosen Liebe, von der Sinnlust zum Wohlwollen, dann zur Nächstenliebe, kurz vom Eros zu Philia, dann manchmal, zumindest ein wenig, zumindest in der Ferne, von Philia zu Agape."

Riso bleibt dabei, dass es wahre Liebe nur dann geben kann, wenn Begehren, Freundschaft und Mitgefühl vorhanden sind und sich miteinander verbinden.Er unterstreicht, dass unvollständige Liebe schmerzt und krankt macht.

In den folgenden Kapiteln thematisiert er die Idealisierung des geliebten Menschen, die Ausschließlichkeit und vollkommene Treue, intensive Gefühle von Verbundenheit und sexueller Anziehung, die Überzeugung, dass eine Liebe ewig hält, das zwanghafte Denken an das geliebte Wesen, den Wunsch nach Vereinigung und völliger Verschmelzung und die Bereitschaft jedes Risiko einzugehen, um eine Beziehung aufrecht zu halten.

Wie wichtig es ist, die Verliebtheit zu genießen, ohne sich in seiner Individualität und seelischen Gesundheit beeinträchtigen zu lassen, zeigt Riso ebenso deutlich, wie das Faktum, dass man sich dafür hüten soll, die geliebte Person zu idealisieren. Der Autor vernüftelt keineswegs, wenn er empfiehlt, dass man nicht zulassen darf, dass die Person, die man liebt, die eigene Seele beherrschen kann wie ein Virus. Lässt man es nämlich zu, endet die Liebe.

Man liest in der Folge u.a. über die Kunst der Verführung, die notwendig ist, um den Eros dauerhaft am Leben zu halten. Beispiele emotionaler Ermüdung werden aufgezeigt, auch wird die Sucht nach leidenschaftlicher Liebe fokussiert und die die Delirien des Eros, wie etwa den Eifersuchtswahn oder die krankhafte Eifersucht ausgelotet.

Liebende Freundschaft ist der lebendige Kern einer Beziehung. Weshalb dies so ist, wird ausführlich erklärt. In intakten Liebesbeziehungen ist man sich stets über Grundlegendes einig. Solche Beziehungen begünstigen Nähe und Intimität und sind von Grund auf befriedigend. Beide können sicher sein, dass sie sich niemals absichtlich Schaden zufügen werden.

Der Austausch von fördernden und verstärkenden Elementen ist für Philia bestimmend, wie im Buch aufgezeigt wird. Die Lust ist für den Eros unentbehrlich. Das Einverständnis, damit Agape zum Motiv des Glücks werden kann, lautet: Ich werde dir keine Leiden verursachen, du mir auch nicht.

Mitgefühl zu besitzen heisst, den Schmerz zu teilen, sich mit fremdem Leid zu identifizieren, es zu seinem eigenen zu machen.

Jede der Komponenten kann aktiviert werden und damit ermöglichen ganzheitliche und funktionierende Liebe zu erleben. Es ist im Grunde überhaupt nicht schwer, wenn man bereit dazu ist, alle Facetten der Liebe zu leben.








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