Ich weiß nicht, was soll es bedeuten.
Ist Liebe eine Zumutung, weil sie wie die Zeit vergeht? Wie lässt sich der Begriff Liebe von dem des " Liebe-Machens " abgrenzen? Sind die Übergänge etwa fließend? Verschwimmt der diesbezügliche Definitionsrahmen, wenn es um körperliches Wollen geht? Ist das erotische Verlangen alter Menschen klarer einzuschätzen als der sexuelle Drang von Jugendlichen? Wo beginnt das Meer? Genauer, ab wann verliert man den festen Boden unter den Füßen? Diesen und ähnlichen Fragen spürt Bodo Kirchhoff in seinem neuen Roman nach und bewegt sich mit der dargestellten Thematik fernab vom Zeitgeist, möglicherweise irgendwo in den Vorachtundsechzigern.
Der 30 jährige Viktor arbeitet am deutschen Kulturinstitut in Lissabon. Dort trifft er seine ehemalige Mitschülerin Tizia wieder. Viktor überdenkt seine Jahre als Gymnasiast in Frankfurt/Main und hier in erster Linie das entscheidende Liebeserlebnis mit eben dieser Tizia, welches fast dazu geführt hätte, dass er von der Schule verwiesen worden wäre. Ertappt wurden die beiden während eindeutiger sexueller Handlungen in den Kellerräumen der Schule. Die anfänglich einhellig gewollte " Petting-Geschichte " nimmt ihren Lauf. Von Vergewaltigung spricht im Nachhinein das Mädchen und dessen alleinerziehende Mutter, von verunglücktem Sex der junge Mann.
Was sich auf der, diesen Fall behandelnden Lehrerkonferenz zuträgt, erfährt Viktor in der Folge von seinem alten Deutschlehrer, der im Gegenzug wissen möchte, was sich im Keller wirklich abgespielt hat.
Die Lehrerkonferenz erweist sich als Zusammenkunft von voyeuristischen Spießern, von ewig Gestrigen, die in ihren 68er Ritualen erstarrt sind. Diese Lehrer charakterisieren sich durch allerlei Verschrobenheiten sowie Absonderlichkeiten und nicht zuletzt durch einen unklaren Blick für die jungen Menschen , die man ihnen anvertraut hat. Dass man sich für das Verbleiben Viktors an der Schule entscheidet, kommt einem Wunder gleich.
Für Viktor ist es nicht einfach auf die Frage seines Lehrers eine Antwort zu finden. Vielleicht weil man sich beim intensiven " Liebe-Machen " ,- also beim Sex - später nicht mehr wirklich an Einzelheiten erinnern kann, insbesondere , wenn man jung ist.
Die in den Roman eingestreuten Betrachtungen über Frankfurt wirken leider etwas hölzern und wenig weltläufig. Verbesserungsvorschläge hinsichtlich einer Neugestaltung des Main-Ufers gehören in die lokale Tageszeitung. Einkäufe bei "Feinkost-Meyer" sollten in einer geistreichen Kolumne Wolfram Siebecks nachgezeichnet werden. Geschwätzigkeit über Internes aus der sogenannten Frankfurter Upper-Class, sowie Lobgesänge über das Aussehen der Frankfurter Oberbürgermeisterin und der , in besagter Hessen-Metropole ansässigen Schauspielerin Hannelore Elsner finden in der " Gala" oder der " Bunten" ihren geeigneten Platz.
Dort wo das Meer beginnt, fängt die Weite an. Diese allerdings konnte ich im vorliegenden Roman nicht erkennen. Schade eigentlich, denn der Autor ist in der Lage diese sprachlich zu produzieren. Kirchhoff kann schreiben, wirklich gut schreiben! Zu diesem Thema jedoch fällt mir spontan erst mal Heinrich Heines Wort ein: " Ich weiß nicht, was soll es bedeuten...." Lesenswert ist das Buch dennoch, weil Kirchhoffs Sprache so wunderbar ausgereift ist.
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