Rezension: Roman- Allende- Ines meines Herzens

Haben Sie sich schon mal mit der Konquista befasst?
Nein? Isabel Allende gibt Ihnen Gelegenheit sich mit diesem Begriff inhaltlich zu beschäftigen. Das jedoch setzt voraus, dass Sie den vorliegenden Roman vollständig lesen und ihn nicht im Vorfeld als seichten Liebesroman abtun, weil Sie das von irgendjemand aufgeschnappt oder aber falsche Schlüsse aus dem Klappentext gezogen haben.

Ich selbst habe mich einst im Rahmen meines Studiums sowohl mit spanischer als auch latein-amerikanischer Geschichte intensiver auseinandergesetzt und bin wirklich überrascht und sehr beeindruckt , wie authenisch Allende bestimmte Sachverhalte aus der Zeit der Konquista ( der Eroberung Mittel- und Südamerikas im 16. Jahrhundert seitens der Spanier sowie Portugiesen und der Unterwerfung indianischer Reiche- wie etwa der Azteken und der Inka - ) in ihren Roman verarbeitet hat.

Ihre Absicht scheint es zu sein einige brisante Facetten der Geschichte Chiles einer breiteren Leserschicht nahezubringen . Als Plattform dazu dient ihr die Lebensgeschichte von Ines Suarez, die einst gemeinsam mit dem spanischen Feldherrn Pedro de Valdivia die Stadt Santiago gegründet hat.

Um zu den unsäglichen Kämpfen und Greueltaten ein erzählerisches Gegengewicht zu bilden, schreibt Allende u.a. von der leidenschaftlichen Liebesbeziehung der beiden genannten Personen. Diese Liebesbeziehung stellt die eigentliche Basis für ihr gemeinsames Tun dar und kann in diesem Roman natürlich nicht ausgespart werden.

Die Schriftstellerin gleitet jedoch nie in die Trivialität ab, sondern vertieft sich in das Denken und Fühlen einer mutigen Frau aus den Anfängen des 16. Jahrhunderts, deren Denkvorraussetzungen logischerweise andere waren als die von einer Leserin heute.

In einem Nachwort nennt die Schriftstellerin die Quellen , die sie zur Recherche ihres Buches verwendet hat. Ihre Protagonisten sind nämlich keineswegs Allendes Phantasie entsprungen, sondern sie lebten tatsächlich . Allende beabsichtigt offensichtlich durch dieses Buch nicht nur generell chilenische Geschichte aufzuarbeiten, sondern auch der tapferen, lebenstüchtigen Inez Suarez ein Denkmal zu setzen, die letzlich einen nicht unwesentlichen Teil dieser Historie darstellt. Dass diese Dame sehr leidenschaftlich war, zu neudeutsch eine überdurchschnittliche Libido hatte, wundert eigentlich nicht.

Eine Frau, die im 16. Jahrhundert die Extremadura verlässt, um in einen noch nicht kolonialisierten Kontinent zu gehen, muss mehr als nur lauwarmes Blut besessen haben. Das liegt in der Natur der Sache.

Die 70 jährige Ich-Erzählerin Ines Suarez schildert ihrer Stieftochter schriftlich ihr gesamtes Leben, das in Spanien, in der Extremadura, seinen Anfang nahm. Inez erzählt von ihren drei wichtigsten Männerbeziehungen, den Gründen, weshalb sie sich in die Neue Welt einschiffte, von ihre Zeit in Peru, der Begegnung mit ihrer großen Liebe ,Pedro de Valdivia,dem gemeinsamen Entschluss Chile zu erobern, der Gründung Santigos, dem Bruch der Beziehung und ihrer weiteren Vita an der Seite des damals wohlhabensten Mannes von Chile, Rodrigo de Quiroga, an dessen Seite sie das Leben einer Fürstin führt.

Allende beschreibt das Goldfieber der Spanier und die brutalen Machenschaften Pizarros in Peru. Sie schreibt über die Kämpfe mit den Inkas, den Mapuche und Yanaconas, aber auch von den stillen Massen verbündeter Indios, die die Unternehmungen und Kriege begleiteten, weil sonst die Eroberung der Neuen Welt nicht möglich gewesen wäre.

Allende berichtet auch von Spaniern , die von den heißen Regengüssen und den Wolken von Mücken gepeinigt und vom Schlamm überzogen , krank , halb verhungert und verfolgt von den Wilden , die sich sogar gegenseitig verschlangen, wenn sie keine Spanier erlegen konnten, immer brutaler wurden. Mit einem Wort : die Schriftstellerin versucht alle Seiten auszuloten.

Schlachtfelder, übersät von Toten, veranlassten die Konquistatoren ihre blutgierigen Hunde an die Kette zu legen, weil sie ansonsten über die eigenen Verwundeten hergefallen wären. Pfeile wurden aus dem Fleisch gezogen und Wunden ausgebrannt, überall hörte man unsägliche Schreie. Vergewaltigungen der eingeborenen Frauen waren an der Tagesordnung.

Über all dies legt Ines Suarez Rechenschaft ab, eine Frau , die eigenhändig aus Rache Menschen getötet hat und ganz Kind ihrer Zeit war. Sie sagt an einer Stelle lapidar: " In der neuen Welt ist man mit Greueltaten nicht zimperlich gewesen".

Während Karl V in Spanien neue Gesetze verkündete, durch die er bestätigte, dass die Indios Untertanen der Krone waren, die nicht zur Arbeit genötigt und gezüchtigt werden durften, sondern mit denen Verträge ausgehandelt werden und die gegen Münze entlohnt werden sollten ,fand real Folter, Knechtung und Ausrottung statt. Überall wurden die Indios , die sich zur Wehr setzten, in blutigen Kämpfen aufgerieben, weil der Kampf mit ungleichen Mitteln zwangläufig zu solchen Ergebnissen führte.

Allende hat einen hervorragenden historischen Roman von hohem Niveau geschrieben.

2 Kommentare:

  1. Liebe Helga, danke für diese hervorragende Besprechung - ich habe das Buch eben bestellt. Bisher kannte ich ja nur das "Geisterhaus", aber wenn du noch mehr so hinreißende Rezensionen schreibst, werde ich noch zum Allende-Kenner :-)))))

    Dein Hinweis auf die Diskussionen über das Buch im Bücherherbst haben mich sehr neugierig gemacht. Worum, meinst du, wird es sich denn da drehen?

    Herzlichst,
    Thomas

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  2. Lieber Thomas, ich freue mich sehr über Deine neuen beiden Kommentare. Danke
    herzlich.

    Die Rezension ist nicht ganz neu. Ich habe den Hinweis auf den Leseherbst rausgenommen. Der liegt schon hinter uns.

    Allende ist eine tolle Schreiberin. Ich mag ihre poetische Art. So schreibt nur eine Lateinamerikanerin. Viel Spaß mit der Lektüre.

    Liebe Grüße Helga

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