Rezension: Der Lustquotient

Modernes, philosophisch-wissenschaftliches Arbeiten heute bedeutet, alle denkbaren Querverbindungen zwischen Teilwissenschaften zu ziehen und diese in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Anne von Bloomberg gelingt es mit diesem Buch, eine weiten lustvollen Horizont zu öffnen, der auf dem Netz von Evolutionsbiologen, Anthropologen, Gehirnforschern, Medizinern, Soziologen, Psychologen, Theologen und Philosophen begründet ist. Sie eröffnet das Buch mit einem Zitat von Freud: "Es scheint, dass unsere gesamt Seelentätigkeit darauf gerichtet ist, Lust zu erwerben und Unlust zu vermeiden, dass das sie automatisch durch das Lustprinzip gesteuert wird."

Dabei geht sie zum Glück einer fatalen Falle bzw. heute widerlegten These der Hirnforscher nicht auf den Leim, nachdem nach der Pubertät keine Verhaltensänderungen mehr möglich seien. Das Gegenteil ist richtig. Das Buch zeigt eindrücklich, dass wir alle Lebensfreude trainieren können, die nicht alleine auf intellektueller Logik basiert. Dies gelingt unabhängig vom Alter durch den wichtigsten Apparat überhaupt: durch unser Gehirn, ein Instrument im Dienste unseres Bewusstseins, unseres Willens. Frau von Bloomberg zitiert einige Erkenntnisse moderner Hirnfoschung, schränkt diese aber auf das ein, was sie sind: vorläufig und unsicher.

Interessante und oft ebenso sinnlose ethische Fragen (gibt es einen ethischen Gehirnteil) werden angesprochen und insgesamt verbleibt nach dem Lesen des Buches ein bleibendes Glücksgefühl bzw. die Einsicht, dass jeder in jedem Alter zu lustvollen Einsichten kommen kann. Aus allen Tipps möchte ich den Teil Schönheit hervorheben, den man mit dem Zitat von Helena Rubinstein überschreiben könnte: "Es gibt keine hässlichen Frauen. Es gibt nur Gleichgültige."
Dabei wird auch das Thema Schönheitsoperationen angeschnitten: "Es ist Ihre Entscheidung. wenn Sie sich bei jedem Zufallsblick in eine spiegelnde Schaufensterscheibe über Ihr Aussehen grämen - tun Sie's!" Diese tiefe Wahrheit scheint sich heute selbstverständlich durchzusetzen, Anne von Bloomberg bietet in ihrem Buch das Für und Wider, sie fordert zum Mitdenken auf, mit dem gesunden Menschenverstand. Sie schreibt: "Aber wägen Sie die Risiken und Nebenwirkungen ab: Kein Chirurg kann jedem Patienten Erfolge garantieren."

Am Ende des Buchs führt ein Kapitel in Richtung Internet: "Das Zukunftsmedium Internet erweitert das (Medien-) Verkehrsnetz zu Autobahnen. Gemeinsam sorgen sie dafür, dass (fast) alle Geheimnisse bekannt werden. Uns allen." Wie wahr und weitsichtig! Dieses Buch ist wie ein großer Urlaub für die Seele zum Neu-Luft-Tanken. Dabei argumentiert es nicht mit logischen, unumstößlichen Wahrheiten, sondern fordert eigenes Mitdenken und Tun. Besonders gefallen haben mir die eingestreuten Zitate, die Inhalte auf den Punkt bringen, aber doch weit darüber hinaus zielen: in meine eigene Kreativität. Hier schreibt jemand vermittelnd, generalistisch, alle Facettten erblickend - und damit menschlich umfassend. Eine Freude zum Lesen, ein Beitrag für mehr Lebenslust.

Über so viele Bücher hinweg wird mir immer klarer, dass ein wichtiger Punkt, der zentrale für unser Leben dieser ist: "Runter vom Sofa. Bewegung macht high." (S.90) Ich selbst jogge täglich und kann dies nur bestätigen. Unsere Vorfahren waren jeden Tag in Bewegung, wir ruhen uns aus vor dem Computer oder TV. Damit die körpereigenen Endorphine angeregt werden, das Glückshormon Serotonin produziert wird: ausdauerndes, tägliches Laufen, Bewegung und Sport sind Essentials. Ob dabei wirklich auch Wettbewerb oder Thrill dazugehören, würde ich eher bezweifeln, aber andere mögen dem zustimmen.


Empfehlenswert.



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