Rezension: Poemas españoles Spanische Gedichte: vom 15. bis zum 20. Jahrhundert von Erna Brandenberger

Etwas trauriges ist ein Traum/ der uns zum Weinen bringt/ Doch in meiner Traurigkeit steckt eine Freude:/ Ich weiß, dass ich Tränen habe!/ ( Becquer)

Das vorliegende Buch enthält 67 Gedichte von 50 spanischen Dichtern. Die Verse wurden alle vom 15. bis zum 20. Jahrhundert verfasst. Es handelt sich um einen spanisch-deutschen Paralleldruck.

Die Gedichte umkreisen die Themen Liebe und Tod, Jugend und Alter, Schönheit und Verfall, Huldigung und Spott, Diesseitsfreude und " Memento mori ".

Aus dem 15. Jahrhundert lernt man u.a. Jorge Manrique kennen, der das mittelalterliche Ritterideal des Kriegers und Dichters in sich vereinigte. Die Strophen auf den Tod seines Vaters Don Rodrigo Manrique haben mich besonders beeindruckt. Leider ist das Gedicht zu lange, um es an dieser Stelle vollständig wiederzugeben. Es beginnt mit folgendem Vers: Besinne dich, schlummernde Seele, /erwache, Verstand, und rege dich, /betrachte/wie das Leben hingeht, /wie der Tod herannaht/ ganz unmerklich;/ wie Freude forteilt/ und in Erinnerung /Schmerz bereitet, / wie in unserer Vorstellung/jegliche vergangene Zeit/besser war./

Es folgt die Renaissance und Mystik, die höfische Eleganz und klösterliche Entsagung.

Die wenigen eigenen Gedichte des Theologieprofessors Fray Luis de Leon( 1527-1591) haben der spanischen Lyrik neue sprachliche und inhaltliche Horizonte eröffnet.: Neid und Lügen haben mich/im Kerker festgehalten./Der hat es gut,/ der sich in Demut und in Weisheit/fernhält von der Arglist dieser Welt,/ wer bei armseligen Mahl und Dach/in einer wonnevollen Gegend/allein mit Gott den Einklang sucht/und einsam seine Tage lebt/ nicht neidend, nicht beneidet./

Diesen Tenor haben nicht wenige Verse jener Zeit.

Sehr schön sind die Gedichte der Barockdichter. Damals fand in Spanien die kulturelle Hochblüte nach dem Ende der größten politischen Machtentfaltung statt. Verse von Miguel de Cervantes, Lope de Vega, Pedro Calderon de la Barca u .a . spiegeln die Geisteshaltung dieser Epoche und hier besonders die Diesseitsfreude und " Memento mori ".

Klassik und Aufklärung, danach die Romantik, der Aufbruch in die Moderne, das Silberne Zeitalter und schließlich die Generation der Jahrhundertmitte verändern jeweils ihren Stil, aber selten die Thematik der lyrischen Verse. Mir haben es von allen Gedichten zwei besonders angetan. Das eine ist von Lorca, das andere von Jimenez. Ich erlaube mir letzteres vorzustellen:

Die Poesie

Ganz rein kam sie zuerst
In Unschuld gekleidet;
Ich liebte sie wie ein Kind.
Dann kleidete sie sich
In was weiß ich für Gewänder;
Ich hasste sie, ohne es zu wissen.

Allmählich wurde sie zur Königin,
prangte in kostbarem Schmuck.
Welch bitterer sinnloser Zorn!
Doch dann zog sie sich aus.
Ich lächelte ihr zu.
Sie trug nur noch das Hemd
Ihrer frühen Unschuld.
Ich glaubte von neuem an sie.
Nun legte sie das Hemd ab,
zeigte sich ganz nackt...
Oh Lebensleidenschaft, oh nackte Poesie,
ganz mein für immer!

Jimenez (1881-1958) war von früher Jugend an kränklich. Sein einziger Beruf war der des Dichters. In Madrid lernte er neue literarische Strömungen, vor allem Impressionismus und Modernismus kennen. Seine Gedichte sind schnörkellos stets innerlich und ganz aus dem persönlichen Empfinden heraus geschrieben. Dieser Dichter erhielt 1956 den Nobelpreis.

PS: Gedichte lassen sich nicht immer 1:1 übersetzen, wenn man ihnen die sprachliche Schönheit nicht rauben möchte. Wichtig ist dass, die Kerngedanken vermittelt werden. Das ist in diesem Buch der Fall.

Empfehlenswert.












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