Monographie der deutschen Postschnecke von Ludwig Börne

"Der Eigensinn einer Frau ist auf eine ganz wunderliche Art befestigt. Der Graben ist hinter dem Wall.,


Hat man die steilsten Einwendungen erstiegen und glaubt, jetzt wäre alles geschehen, entdeckt man erst, daß das Schwerste noch zu tun sei." ( Börne):-))

Ein wichtiger Text! Leider bei Amazon nur noch einmal erhältlich. Börnes Texte haben es verdient, erneut aufgelegt zu werden. Dafür möchte ich an dieser Stelle werben. Wieso? Er war einer der klügsten Köpfe des 19. Jahrhunderts. Ihn zu lesen ist ein wirklicher Genuss.

Schon vor der Julirevolution dokumentiert der jüdische Schriftsteller mit diesem Buch, dass Reiseliteratur auch kritische Literatur sein konnte und sogar ohne durch die Schilderung fremder Verhältnisse eine Folie zu entwerfen, vor der die heimischen Unzulänglichkeiten in um so krasserem Licht erscheinen. Es gibt nämlich auch die Möglichkeit die Misere dadurch zu kritisieren, dass man genau beschreibt, was jeden Reisenden plagt.

Börne unternimmt im Herbst 1820 eine Reise von Frankfurt nach Stuttgart, mit der Postkutsche. Er berichtet über diese Reise 1821 in der "Wage", seiner "Zeitschrift für Bürgerleben, Wissenschaft und Kunst". Börne nennt seinen Reisebericht "Monographie der deutschen Postschnecke". Durch den Untertitel "Beitrag zur Naturgeschichte der Mollusken und Testaceen" soll er getarnt werden, löst jedoch dennoch eine amtliche Untersuchung aus, und zwar deswegen, weil es im Text heißt, der Conducteur habe nachts hinter Heilbronn einen blinden Passagier zusteigen lassen. Natürlich ist die Reaktion der Behörde verständlich, denn es geht um das Image der Post, die erst in jenen Tagen zu begreifen beginnt, dass Menschen nicht wie Pakete befördert werden sollten. Börne muss versichern, dass das Ereignis fingiert ist. Keineswegs fingiert dürfte die im Text abgedruckte Statistik ( Standeslehre des Postwagens sein) : Die Reise dauert 46 Stunden; allerdings fallen 14 Stunden und 44 Minuten auf Rast, sprich Wirtsbesuch. In der Kutsche befindet sich ein neuvermähltes Paar, welches am Tage nach seiner Hochzeit von Memel aufgebrochen ist, um nach Triest in das Haus des Mannes zu fahren. Mittlerweile ist das Paar neun Wochen unterwegs. Börne kommt deshalb zur Überzeugung: "Dass die harrende Schwiegermutter in Triest nicht bloß eine geliebte Schwiegertochter, sondern auch einen Enkel werde willkommen und küssen können."

Ausgangspunkt von Börnes Journalkost sind die damals jedermann bekannten Beschwerlichkeiten des Reisens. Man muss dann nur noch die Phantasie ein bißchen spielen lassen und erreicht eine Pointe. Doch unversehens, während der Leser noch über eine Pointe lacht, wird der Weg zur Methapher des Politischen. Die dem Touristischen verpflichtete Opposition "Schnelligkeit versus Langsamkeit", von der nicht zu reden verboten werden kann, bildet die politische Opposition "Revolution versus Restauration" ab.