Rache: Zur Psychodynamik einer unheimlichen Lust und ihrer Zähmung von Tomas Böhm

Rache ist der falsche Weg

Tomas Böhm und Suzanne Kaplan sind als Kinder von Verfolgten nach Schweden gekommen, ihre Ausführungen sind mithin authentisch und glaubhaft. Sie sehen Rache als kontraproduktiv für die eigene Entwicklung, dieses Buch ist demzufolge auf die Überwindung von Rache angelegt.
Rache scheint mir durchaus auch ein normaler Reflex des Alltags sein, den man mit einer Vielzahl von assozierenden oder naheliegenden Begriffen wie Neid, Unterdrückung, Ungerechtigkeit, Rivalität umkreisen könnte. Rachegelüste entstehen erst dann, wenn eine sinnvolle Lösung nicht möglich ist, also Versöhnungs- oder Entschuldigungsversuche scheitern. Die Bühnen der Rache werden heutzutage privat und vermehrt auch öffentlich inszeniert, man nimmt Rache am Ex-Partner, verlassene Promis reden über das Sexleben des/r Ex usw. Harmlose Rache, könnte man meinen, aber sie heizen eine Gewaltspirale auf breiter gesellschaftlicher Ebene an. Jeder soll auf sein Recht beharren, es einfordern, darauf bestehen, wird heute suggeriert. Mit Sicherheit darf man sich nicht unterbuttern lassen, aber Rache hat nach meinem Gefühl längst viele Grenzen überschritten, ist zum Sport geworden. Die Autoren reden von einer gesellschaftlichen Arena der Rache.

Davon losgelöst beziehen sich die Racheauflösungen dieses Buches eher auf größere kollektive Dimensionen der Rache, beispielsweise Völkermord. Als Opfer davon loszukommen, die Verletzungen zu vergessen, gelingt möglicherweise leichter und folgerichtiger als die persönliche, in einem Personengegenüber manifestierte Rache. Der Teufelskreis sich immer und immer wiederholender Racheaktionen wie z.B. im Nahen Osten wird zu einer Spirale, bei der keine Lösung möglich scheint, auch vor dem Hintergrund, dass von außen andere Kollektive bzw. Staaten weiter einpeitschen und anheizen. Hier versagen einfache Empfehlungen, wenn man die Differenzierung in Kollektive und Personen nicht problematisiert.
Das Buch und die Ableitung - auf Rache zu verzichten - liest sich mit den geschilderten Fällen mit hohem Involvierungsgrad und Mitgefühl, es sensibilisiert für ein Thema, das uns alle betrifft, desen Lösung leider zwischen diesen Polen schwingt:

"Rache und immer wieder Rache! Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegwaschen zu wollen. Nur Blut, das soll immer wieder mit Blut ausgewaschen werden." (Bertha von Suttner)
Vergebung ist die süßeste Rache. (Jüdisches Sprichwort)

Vergeben und Vergessen ist die Rache des kleinen Mannes. (Schiller)

"Eine kleine Rache ist menschlicher als gar keine." (Nietzsche)

In China sagt man, wer auf Rache aus ist, grabe zwei Gräber. Seinem Gegenüber zu vergeben (wenn es nicht um Leben und Tod geht) ist m.E. immer die souveränere Lösung, weil man die Beleidigung, Herabsetzung, oder was auch immer, gar nicht richtig zur Kenntnis genommen hat, man also viel zu selbstbewusst ist, um diese überhaupt Ernst nehmen zu wollen.



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