Küsse sind das, was von der Sprache des Paradieses übriggeblieben ist.( J. Conrad)
Die Psychotherapeutin Julia Onken befasst sich im vorliegenden Buch mit den Ursachen für das so genannte Fremdgehen und den Bedingungen dafür, es zu unterlassen.
Wie in vielen ihrer Bücher illustriert sie wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse und psychologisches Fachwissen durch Fallbeispiele und bringt sich immer wieder als kurzweilige Erzählerin in den Text ein.
Voraussetzung der von Onken beleuchteten Problematik ist zunächst einmal eine Paarbeziehung , aus der dann irgendwann vorübergehend oder endgültig ausgebrochen wird.
Die Psychologin stellt fest, dass in der ersten Phase einer Beziehung , die Urerinnerung des Einsseins, des sich aufgehoben-Fühlens in etwas Ganzem geweckt, aber auch die erste symbiotische Beziehung, die wir mit der Mutter erlebt haben, in Erinnerung gerufen wird.
Gleichzeitig wird, so Onken, ein gegensätzlicher Impuls spürbar, der des Weitergehen-Wollens, des Nach-Vorne-Drängens.
Früher oder später wird einer der beiden Verliebten das Bedürfnis verspüren, sich der Nähe des anderen wieder zu entziehen, um seinen eigenen Impulsen mehr Raum zu geben.
Der Verliebte , der lieber länger in der symbiotischen Beziehung verblieben wäre, muss lernen, dass das Bedürfnis des Partners mehr Distanz zu halten ,nicht gegen ihn gerichtet ist, sondern dieser dem inneren Bedürfnis nach eigener Entwicklung folgt.
Bei aller Verliebtheit ist es notwendig, dass die Eigendrehungen der Partner nicht aufgegeben werden.
Wer in der Symbiose verharrt, weigert sich als selbstständiges und selbstverantwortliches Wesen zu erleben. Dies führt dazu sich den Partner gewissermaßen einzuverleiben. Sobald man den anderen nicht mehr als Individuum anerkennt und man sich in den Innenräumen des Partners bewegt , so als seien es die eigenen, wird dies vom Partner als Mangel an Wertschätzung und als Mangel an Respekt empfunden. Damit nimmt in einer Beziehung die Entwertungsspirale ihren Anfang, die die Partnerbeziehung allmählich zersetzt.
Entwertung ist Entwürdigung. Würde definiert Onken als die Essenz der menschlichen Integrität. Menschen , die in ihrer Würde angegriffen werden, haben über ihr Selbstregulierungssystem mehere Möglichkeiten die Folgen möglichst gering zu halten: Verdrängung, aggressive Überreaktion und narzisstische Selbsterhöhung können zu Schadensbekämpfung herangezogen werden.
Männer und Frauen, die in einer Partnerschaft entwertet worden sind, versuchen unter Umständen ihre Entwertung durch Fremdgehen rückgängig zu machen.
Andererseits gibt es auch Männer und Frauen, die von Anbeginn der Partnerschaft Affären haben und sich nur in diesen Dreierkonstellationen wirklich wohl fühlen. Wer Probleme hat solche Formationen zu akzeptieren, sollte die Finger von derartig veranlagten Menschen lassen und nicht hoffen , dass sie sich ändern, dies vor allem nicht fordern, sondern überlegen, ob es nicht besser ist zu gehen.
Sich vom Willen des Fremdgehenden abhängig zu machen heißt eine Opferrolle zu übernehmen, bedeutet letztlich auf Lebensfreude zu verzichten. Ein erzwungener Abbruch der Affäre erhöht die Chance der Weiterführung einer gelungenen Partnerschaft nicht, denn Unstimmigkeiten, Streit, Vorwürfe und Entwertung werden die Folge sein.
Partner von Fremdgehern/innen sollten sich hüten diese zu observieren und zu kontrollieren und sich bewusst machen, dass sie ihre Partner/innen in die Rolle von Feinden, die Hochverrat begehen, hineindrängen. Damit ist das Ende der Beziehung ohnehin gegeben.
50% der Frauen und 57% der Männer haben nicht das Bedürfnis mit ihrem Partner über ihre Liebschaft zu sprechen. Laut Onken hat dieses Verhalten nichts mit Verlogenheit zu tun, sondern eher mit dem heißen Begehren die lustvolle Freiheit möglichst ungestört genießen zu können.
Die Angst vor den Konsequenzen einer " Beichte" lässt sie lieber schweigen.
Wenn ein Partner feststellt( das gilt auch für den fremdgehenden) , dass es das Interesse am Gegenüber verloren hat, sollte er sich von ihm trennen. Das Wichtigste für einen Menschen , so Onken, ist dass man am Morgen den Gesang der Vögel noch hört, die aufgehende Sonne noch wahrnimmt, sich noch freuen kann. Nur Freude verleiht dem Menschen Kraft. Schwindet sie muss man handeln.
Für die Psychologin besteht der Sinn des Lebens darin sich seines Lebens zu erfreuen. Diese Freude ist der Motor , um sein eigenes Leben in Erfüllung zu bringen. Sie sollte auf keinen Fall wegen einer nicht mehr funktionierenden Partnerschaft geopfert werden.
Eine gelungene Abhandlung, die erfreulicherweise auf moralisierende Untertöne verzichtet, da sie in Herzensangelegenheiten nicht greifen.
Empfehlenswert!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen