Rezension: Sudelbücher (Gebundene Ausgabe)

Für deutsche Literatur ist durch die "Sudelbücher" aus dem Nachlass Lichtenbergs der Beginn der Aphoristik gegeben. Bei diesen Notizenfolgen handelt es sich keineswegs um Aphorismen von jener genauen klassischen Form, wie sie die französische Literratur damals schon als Tradition aufzuweisen vermochte.
Lichtenberg, diaristisch verfahrend, sammelte Einfälle, Vermutungen, Fragen, Feststellungen, Einwände und witzige Apercus, so dass eine Materialsammlung zu einem einfachen Denkbuch entstanden ist oder auch Vorstudien zu einem geplanten größeren Werk gefunden werden könnten, in welchem auch wichtige Zitate, die zum Weiterdenken anleiten, ihren Platz hätten haben sollen. Demnach liegt bei Lichtenberg eine ungeordnete Sammlung von Bruchstücken vor, wobei sich thematisch die Analogie eher zu den Essais von Montaigne, formal vor allem zu den Penées von Pascal herstellt.
Man findet weniger Abgrenzung bei Lichtenberg als vielmehr zahllose Beobachtungen oft skurriler Natur, ironische Vergleiche, sarkasitische Entlarvungen, gleichwohl selten Grundsätze, Maximen und Definitionen. Es dominiert die Selbstbeobachtung. Diese drängt die der Welt und Gesellschaft deutlich zurück. Denn diese Sonderform der Aphoristik entstammt der Einsamkeit, keineswegs dem anregenden Klima der Salons, der Gesellschaft und ihrer geistreichen Konversation. Den Aphorismen fehlt es keineswegs an Witz und Kürze, an Ansätzen zur genauen Gliederung, aber da die Notizen nicht mehr durchgearbeitet wurden, befinden sie sich gewissermaßen im Rohzustand.

Drei Beispiele für Lichtenbergs Klugheit Sachverhalte mit knappen Worten auf den Punkt zu bringen:

"Ich bin überzeugt, man liebt sich nicht bloß in andern, sondern hasst sich auch in andern."

"Die Leute, die niemals Zeit haben, tun am wenigsten."

"Ist es nicht sonderbar, dass die Menschen so gerne für die Religion fechten, und so ungerne nach ihren Vorschriften leben?"






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