Wenn das eigene Leben zur Fassade wird.
Der Egon - Erwin - Kisch - Preisträger Jürgen Leinemann befasst sich in diesem Buch mit der wirklichkeitsleeren Welt der politischen Klasse in der Bundesrepublik Deutschland. Der langjährige Spiegel- Journalist hat sein gesamtes Berufsleben hindurch hochkarätige Politiker unterschiedlicher ideologischer Prägung beobachtet und deren Verhaltensmuster analysiert. Er konstatiert nicht selten einen Mangel an Eigenreflektion und an politischer Sensibilität den gesellschaftlichen Verhältnissen gegenüber. Von der Macht sind viele berauscht und süchtig nach der Macht sind die meisten.
Wird den beschriebenen Polit - Junkies die Macht genommen, gleiten sie ab in Resignation, Hilflosigkeit und verheerende Lebensunsicherheit, wie am Beispiel Möllemanns und Barschels sichtbar wird. Die Prioritäten der Politiker waren zu Anfang der Bundesrepublik noch andere. Nicht die Karriere und Darstellungsgelüste standen im Vordergrund, sondern die Gestaltung der jungen Demokratie. Leinemann nennt diese Generation die " Weimarer". Ihre Erinnerung war geprägt von der Weimarer Republik und vom Nazi-Terror. Es folgen in diesem Zusammenhang Analysen der Personen Adenauer, Brandt, Carlo Schmidt, Wehner und von manch anderem.
Trotz unterschiedlicher Weltanschauung war diesen Personen eines gemeinsam: der ernsthafte Wille nämlich, die Demokratie voranzutreiben. Das politische Amt bot ihnen die Plattform für Veränderung und Gestaltung. Dieser Generation folgen die " Soldaten" Ihre Droge war die Arbeit, ihr ordneten sie alles andere unter. Diese Generation,- herausragende Personen sind hier Helmut Schmidt, Strauss und Hans-Jochen Vogel -, fühlten sich soldatischen Werten verpflichet, wie etwa Tüchtigkeit, Ordnung, Pflicht und Disziplin. Hart, unsentimental und kalkulierbar versuchten sie die noch junge Demokratie zu festigen und verhielten sich geradezu neurotisch und unangemessen gegenüber der studentischen Protestbewegung während der APO-Zeit, von der sie glaubten, sie zerstöre ihr hart erarbeitetes Werk.
Den " Soldaten" folgten die " Kraftmeier des praktischen Lebens", die so genannten " Kriegskinder"; Karrieretypen allesamt und Amtsinhaber in erster Linie, Stichwort: Kohl, Stichwort: Rauh. Ihr Markenzeichen war die " überdurchschnittliche Durchschnittlichkeit". Zivilcourage war jetzt nicht mehr gefragt. Es ging darum die Mitbürger zu beruhigen, Zweifel zu zerstreuen und Optimismus zu verbreiten, in der mittlerweile sich etabliert habenden Mediengesellschaft.
Dieser neue Politikertyp hatte nur noch sein persönliches Fortkommen im Sinn. Abgelöst wurd diese politische Klasse von den " Trümmerkindern", für die die Parteien als Vehikel des persönlichen Erfolgs wahrgenommen wurden. Schröder, Lafontaine, Schäuble, Möllemann, Barschel, Stoiber und nicht zuletzt Fischer besitzen diesen berüchtigten, zügellosen Ehrgeiz und die absolute Gier nach Macht, die ganz offenkundig ein Wesensmerkmal jener egomanen Generation zu sein scheint.Hier enden die Interessen des Gemeinwohls dort, wo die Freude an Privilegien beginnt. Ein großes Problem stellt sich diesbezüglich auch für Ost-Politiker. Die Lebensentfaltung durch öffentliche Funktionen von Merkel und Thierse und vielen anderen wird beleuchtet und die Ausnahmepolitiker Platzeck und Tiefensee portaitiert.
Schließlich wird am Beispiel Richard von Weizsäckers gezeigt, dass es auch anders geht. Der Alt- Bundespräsident wird als Mensch gezeichnet, der sein Tun immer wieder aufs Neue reflektiert und deshalb überzeugend auf andere wirkt, nicht zuletzt, weil er wirklich demokratisches Agieren vorlebt.
"Höhenrausch" ist ein sehr vielschichtiges, hochinformatives Buch, das mannigfaltige Hintergrundsinformationen zu einzelnen politischen Geschehnissen liefert und ungeschminkte Ablichtungen vieler, offenbar leider suchtkranker Politgrößen liefert.
Eine sehr empfehleswerte Lektüre!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen