Was spricht gegen ein Miteinander? Was spricht gegen Toleranz? Für denkende Menschen zumindest nichts.
Micha Brumlik wartet in diesem Buch mit einer kurzen Geschichte des Judentums auf. Für ihn sind die Juden eine von einer gemeinsamen- religiös begründeten- Ethik geprägte Gemeinschaft, kein Volk im Sinne des modernen Nationalismus, auf den die Juden gleichwohl mit der nationalen Idee des Zionismus reagiert haben, und erst recht keine "Rasse" wie der pseudobiologische Antisemitismus behauptet.
Der Autor berichtet u.a. von der Entstehung des jüdischen Monotheismus, vom Bürgerkrieg in Judäa, aber auch von Alexandria, dem einstigen Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit. Von herausragender Bedeutung war hier die Übersetzung der Texte der "Hebräischen Bibel" ins Griechische, die "Septuaginta", die ihren Namen nach einer apokryphen Schrift des Alten Testaments, dem " Brief des Aristeas" bekommen hat.
Man liest von den jüdischen Aufständen, die Auslöser der Entwicklung des rabbinischen Judentums waren und man wird über die Ursachen der Verbreitung der Juden in der antiken Welt informiert. Die größten Traditionsgruppen des jetzigen Judentums sind die "Sefradim", die aus dem Orient bzw. aus Spanien stammen, und die Aschkenasim, die aus Osteuropa, dem historischen Gebiet Polens und Litauens kommen, wohin ihre Vorfahren im Mittelalter aus Deutschland ausgewandert waren.
Die rabbinischen Akademien und die Entstehung des Talmud kommen zur Sprache. In diesem Zusammenhang erfährt man, dass die " Mischna" eine Sammlung von aus der Tora hergeleiteten Unterweisungen des in Palästina entstandenen ältesteten Teils der Tora ist. Die in Babylonien entstandene "Gemara" führt die Mischna fort. Gemeinsam mit der Mischna bildet sie den Talmud.
Über die jüdischen Frauen in dieser patriachlische Religion erfährt man Wissenswertes, auch über die wechselseitige Konstitution und Abgrenzung von Christen- und Judentums.
Besonders aufschlussreich ist das Kapitel, das sich mit den Juden im spätantiken Europa befasst. Damals wurden Ehen zwischen Juden und Nicht-Juden unter sehr harten Strafen verboten. Die Haltung der Kaiser gegenüber den Juden, welche über Jahrhunderte zwischen einem Minimum an Toleranz und einem Maximum an Repression oszillierte, orientierte sich an den Polen des altrömischen Universalismus mit dessen begrenzter Toleranz gegenüber verschiedenen Religionen und dem monistischen Wahrheits- und Vertretungsanspruch der Kirche andererseits.
In der Folge erfährt man Wissenswertes über die Juden Westeuropas bis zu den Kreuzzügen und über den Judenhass der Kreuzugszeit. In diesem Zusammenhang wird auch der Konflikt zwischen Bernhard von Clairvaux und Abälard erwähnt, der einem von der Philosophie des Aristoteles geprägten, durch jüdische Gelehrte aus dem maurischen Spanien und Süditalien übermittelten Rationalismus anhing, der den Vorstellungen Clairvauxs (ein Hardliner der katholischen Kirche) nicht gerade entgegenkam.
Die Juden Europas in der frühen Neuzeit und die damalige Ausweisung der spanischen Juden durch Ferdinand und Isabella sind ein Thema, aber auch die jüdische Aufklärung sowie die Emanzipation und Reform der aufgeklärten Juden im 19. Jahrhundert werden andiskutiert. Der Zionismus, die jüdische Nationalstaatsidee wird näher erklärt und natürlich kommt auch der Massenmord der Juden seitens der Nazis zur Sprache.
Für Brumlik ist es wichtig trotz der unheilvollen Vergangenheit ein postzionistisches Judentum in Europa neu zu begründen. Dies ist sicher problemlos möglich, wenn man in der Zukunft den Juden mit mehr Toleranz begegnet als in den letzten 2000 Jahren.
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